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Nichts ist wie dich küssen müssen!
Komm, so komm doch,
siehst du nicht in weißen Kleidern,
Raben weinen müssen?
Tiefe Furchen rissen Schein von Sein
und mein der Wunsch:
Nur ein, nur ein Gedanke ohne Dich!
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Schon in diesem Siebenzeiler, der ersten Strophe eines Gedichts aus den „Zeitgebeinen“,
erkennt man die ganze Bandbreite der Liebe, nämlich sowohl ihre bezaubernde,
schöpferische, befruchtende, als auch ihre zerstörerische, quälende, ja vernichtende
Seite, die hier in dem Ausruf: Nur ein, nur ein Gedanke ohne Dich! mündet.
Jedem Versierten wird klar, dass es sich hier um eine unerfüllte Liebe handelt. So ist
es und wer sich die Konsequenz einer solchen Liebe ausmalt, wird vermutlich fragen,
wieso der Protagonist nicht rechtzeitig die Reißleine gezogen hat.
Das habe ich mich mehr als tausend mal gefragt und gleich weiter: Was ist es, das uns
lieben lässt?
Man hört so viel von inneren Werten. Wer sehnt sich nicht nach Beständigkeit,
Verlässlichkeit, Treue und innige Verschmelzungszeremonien? Jeder. Doch das erste, das
wir sehen, ist nun mal die Physiognomie, das Äußere und speziell wahrscheinlich das
Gesicht.
Natürlich kommt es darauf an, was man sucht. Wer nur Lust auf erotische Abenteuer hat,
wird seinen Fokus an den sekundären Geschlechtsmerkmalen festmachen.
Und der Andere?
Steht einer unfassbaren Erscheinung gegenüber, von der ein überwältigender Zauber
ausgeht, der augenblicklich und omnipotent fesselt.
Seltsam in einem solchen Moment ist, dass Sex überhaupt keine Rolle spielt. Jedenfalls
nicht augenscheinlich, selbst wenn unterschwellig eine rauschhafte, sexuelle Energie vom
Angebeteten herüber schwappt, wie ein Tsunami.
Ebenfalls seltsam, dennoch fester Bestandteil der Liebe, die augenblickliche Vertrautheit,
der unbedingte Glaube, dass es gut ist und Antworten, die vor den Fragen kommen.
Eine Aura, um ihn herum.
Wer bist Du? Ich sehe Dich und erkenne ein unergründliches, noch stummes, alles
versprechendes Geheimnis, das ich ergründen will.
Alles meint mehr zu sein, als das Offensichtliche.
Bereits in diesem Stadium kommt bei denen, die sich glücklich schätzen können, es zu
haben, etwas ins Spiel, das ich als erstes Tor ins Reich der Liebe bezeichne - die
Fähigkeit zur Bewunderung.
Wie armselig macht sich dagegen Narziss aus, der nymphomanisch, immer und immer wieder
neue Opfer suchen muss, die allein dem Zweck dienen, der krankhaft nach Bewunderung
lechzenden Seele positive Impulse zuzuführen. Nymphomanisch deshalb, weil die Absicht
schnell erkannt wird und kein vernünftig Denkender sich dazu herablassen wird, allein
als Zierde des Anderen degradiert zu werden.
Aus den Spiegeln
Aus den Spiegeln
schimmern alter Eichen
junges wollen
wie ein zarter kuss
und die wasser
klären sich an wolken
über nebeln hoch
mit dir am fluss…
… Und um alles
strömen sich die quellen
keine tage
sind ein ewig kuss
und der eichen
frühlingsgrünes wollen
ist ein lied von dir
und mir im fluss.
(Auszug aus "Asymmetrische Schwünge", erschienen 2013)
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Die Fähigkeit zur Bewunderung.
Man steigt aus sich heraus, über sich hinweg, um schließlich wieder in sich selbst zu
versinken. Es ist ein Regenbogen, der im Zusammenspiel der Elemente und unsichtbarer
Vorgänge entsteht, leuchtend fasziniert, inspiriert.
Das - aus sich heraus steigen - ist die Vorstellungen hinter sich lassen, weil allein der
gewaltige Augenblick keinen Raum für Erinnerungen zulässt. Er schreit einzig: Siehe,
hier bin ich und ich bin alles!
Genau diese Erfahrungen machte ich und habe diesen Moment folgendermaßen charakterisiert:
Liebe vor dem ersten Augenblick.
Das mittwöchentliche, gemütliche Treffen im LSVD, unter der Regenbogenfahne, in Magdeburg.
Nichts Besonderes. Ein bisschen Klatsch und Tratsch über dies und das, gutes Essen, Kurzweil.
Da machte etwas die Runde, das meine Aufmerksamkeit beflügelte. Ein Tänzer ist hier
unterwegs. Einer hat ihn getroffen, mit nach Hause genommen, ihm sogar seinen Schlüssel
überlassen. Altweises Nicken, höhnische Bemerkungen, von einer sich in Wohlgefallen
auflösenden Wohnungseinrichtung und ein: Vorsicht Problemkind, Finger weg! Einige hatten
einschlägige Erfahrungen mit diesem exotischen Falter der Nacht und zwar im Mansclub, wo
er gelegentlich mehr als nur einen über den Durst getrunken hatte.
Mittendrin ein Klingeln. Besagter Wohnungsinhaber betrat den Palast der lüsternen Jünger.
Im Schlepptau etwas Unglaubliches.
Ein Blick, Fassade erfassen, fassungslos sein. Das war`s. Mehr nicht. Und auch nicht
weniger.
Die Konsequenzen meiner Fassungs- und Verstandslosigkeit kann man im Himmel der
Entstellten, erschienen im Dorise- Verlag, 2013, nachlesen.
Es gab kein Zurück mehr.
Fatale Ausgangsituation: Medea trifft auf Narziss.
Es begann ein acht Jahre andauerndes Abhängigkeitsverhältnis, das in, sowohl
rhetorischen, als auch physischen Gewaltexzessen mündete und erst mit dem Kraftakt
der Trennung durch mich beendet wurde.
Zwei Jahre Therapie um loszukommen und zwei Jahre Therapie um wegzubleiben.
Wer bist Du, Fremder? Was bringst Du mit, das mich so in Deinen Bann zieht? Wieso reichte
es nicht zu wissen, dass Du Narziss bist und demzufolge Dich nur selber lieben konntest
und ich deshalb all die Jahre vergeblich auf einen Liebesbeweis gewartet habe?
Es waren die galaktischen Momente körperlicher Verschmelzungen. Seine Küsse, die mich in
Brand steckten. Es war der stets vorhandene Hauch der Unnahbarkeit und absolutem Elitären,
das in einer Stunde alles hinweglächelte, was über Wochen in Trümmern gelegt wurde. Es war
mein defizitäres Herz, das Loch in meiner Seele, das so zauberhaft mit seinem Duft überdeckt wurde.
Es war Liebe!
Trennung!
So unglaublich unsere Beziehung an sich schon war, weil außer meiner Liebe aber auch gar
nichts zusammenpasste, so schier unvorstellbar erschien mir die Vorstellung, von ihm
getrennt zu sein.
Acht Jahre sind eine lange Zeit und man spielt sich ein im Chaos. Immer noch faszinierte
mich seine Erscheinung, sein lasziver Blick, die Stimme, eine mich fassungslos machende
Erotik, die mich jedes Mal entwaffnete.
Als ich mich dazu aufraffte, und dies voller Angst und zerfressen von Bedenken, mich zu
trennen, dann nicht, weil ich ihn nicht mehr liebte. Im Gegenteil! Ich liebte ihn mehr
denn je und abgrundtief. Nein, ich wurde krank davon, nicht zurückgeliebt und seinem
kranken, alles fordernden und umklammernden Ego ausgeliefert zu sein.
Ich zog die Reißleine. Nach acht Jahren!
Was dann kam war die Hölle! Die wildesten Phantasien, Hassorgien, Eifersuchtsanfälle,
Wahnvorstellung und ein abgrundtiefes, alles verschlingendes und mich mit völlig
zerstörtem Selbstwertgefühl zurücklassendes schwarzes Loch.
Mehrere Treffen mit wilden Orgien brachten nichts weiter als die Erkenntnis, dass die
Trennung richtig war.
Ich marterte mich mit Kontaktverbot. Mal hielt ich es mehrere Monate durch. Mal
strauchelte ich schon nach Tagen.
Letztendlich wurde es erträglicher und auf die Frage an ihn, was so ein erniedrigendes
Leben, in dem man nur benutzt wird und andere benutzt, er hatte unzählige Sexkontakte
zwischenzeitig per Internet gehabt, für ein Sinn haben soll und wo die Schönheit bleibt,
erwiderte er lakonisch: Es ging nicht um Sex. Ich war verliebt in mich!
Das hat die letzte Tür zugeschlagen.
Nicht dass ich es nicht schon von Anfang an gewusst hätte. Es aber so ungeschminkt von
ihm selbst zu hören, empfand ich als ungeheuerlich.
Wer bin ich für ihn gewesen? Niemand anders, als jene, denen er sich nach mir bediente.
Er wäre nie gegangen, hätte niemals sein warmes Nest verlassen und er musste das erste
Mal in seinem Leben eine fundamentale Erfahrung machen, die ihn für immer prägen wird.
Narziss wurde abgelehnt!
Nicht er hat verlassen, wie etliche Male vor unserer Beziehung, sondern er wurde
verlassen. Nie wieder also, wird er sich zu hundert Prozent auf seine Fähigkeiten der
Manipulation verlassen können.
Und ich? Zwei Jahre Trauer. Außer Stande, sich auf Jemanden einzulassen. Bis zuletzt
wilde Phantasien und ein nahezu unüberschaubarer Schatz an Poesie!
Ich möchte kein anderes Leben haben. Aber ich wünsche niemandem meines.
Jetzt aber weiß ich, ich kann alles schaffen.
Resümee: Ich glaube an die Liebe. Ich suche sie. Ich verbiege mich nicht. Ich wünsche mir
Nähe. Ich brauche Treue und gebe sie. Die Liebe ist etwas heiliges, die keine falschen
Kompromisse braucht, nur Aufrichtigkeit.
Einem Bekannten erwiderte ich einmal auf seinen Einwurf: Wenn mein Partner, durch was
auch immer, plötzlich an den Rollstuhl gefesselt ist, kann er doch von mir nicht
verlangen, dass ich auf meine Bedürfnisse verzichte. Ich kann gar nichts verlangen,
aber ich kann alles geben!
Daran glaube ich.
Ist nicht mehr an einem Menschen, als ein Geschlechtsteil? Liegt nicht das Himmelreich
in einem Kuss?
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